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SoVD richtet Appell ans Parlament

Glückwünsche für die demokratischen Abgeordneten – „Am Sozialen nicht sparen!“

Voll besetzter Plenarsaal und Besucherplätze im Deutschen Bundestag.
Die Abgeordneten des 21. Deutschen Bundestages können wesentlich dazu beitragen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Foto: Markus Schreiber / picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Der 21. Deutsche Bundestag ist am 25. März zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Am Vorabend sollten die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse zu den Koalitionsverhandlungen abgegeben haben. Doch viele zentrale Fragen blieben kontrovers. Schon zu Beginn der Gespräche hatte der SoVD die involvierten Politiker*innen in persönlichen Gesprächen und auch in Schriftform um Berücksichtigung seiner Kernforderungen gebeten. 

Nach den Sondierungsgesprächen waren ab dem 13. März insgesamt 256 Personen in 16 Arbeitsgruppen in die Beratungen gestartet mit dem Ziel, den Koalitionsvertrag auszuhandeln.  

Verhandlungen im Eiltempo in 16 Arbeitsgruppen

In jeder Arbeitsgruppe tagten, zugeordnet nach Themenblöcken, jeweils 16 Fachpolitiker*innen aus der CDU (6), CSU (3) und SPD (7). Als Verhandlungsbasis diente ihnen das elfseitige Sondierungspapier, in dem man sich zuvor im Groben auf gemeinsame Vorhaben verständigt hatte. Bis zum 24. März, also binnen zehn Tagen, wollte man ausformulierte Ergebnisse vorlegen. Diese werden dann von einer Steuerungsgruppe koordiniert und zusammengefasst. Deren Mitglieder entsprechen den Teilnehmenden der früheren Sondierungsgruppe. Am Ende entscheiden die Partei
gremien und deren Spitzen über den Koalitionsvertrag. Bei der SPD haben die Mitglieder das letzte Wort. 

Innen- und außenpolitische  Bedingungen sehr schwierig

Die hohe Tempovorgabe ist den äußerst schwierigen innen- und außenpolitischen Bedingungen geschuldet. Auch in Bezug auf den finanziellen Rahmen sind die Umstände extrem. So hing in der politischen Zwischenphase von alter und neuer Regierung zunächst Wesentliches davon ab, ob der Bundestag im Rahmen einer Sondersitzung das Grundgesetz ändern würde, um die von Union und SPD geplanten Finanzprojekte festzuzurren. Für diesen Schritt wurden die Stimmen der Grünen gebraucht, die voraussichtlich nicht Teil der künftigen Regierungskoalition sein werden und ihre Zustimmung nicht bedingungslos geben wollten. 

Nach langer Kontroverse machte der Bundestag zu guter Letzt den Weg frei für die von den „Koalitionär*innen in spe“ eingebrachte Lockerung der Schuldenbremse. Nach dieser werden Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit ab einer bestimmten Höhe von der Schuldenbremse ausgenommen. Die zweite Neuerung betrifft ein Sondervermögen genanntes Kreditpaket für Infrastruktur und Klimaschutz. Den dafür nötigen Grundgesetzänderungen stimmten die Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit zu.

Beschlüsse mit den Stimmen der alten Regierung gefasst 

Die Beschlüsse hierzu erfolgten im Bundestag der alten Besetzung: Laut Gesetz ist eine „alte“ Regierung bis zur Bildung der „neuen“ geschäftsführend und somit voll beschlussfähig im Amt. Dies galt am 18. März auch noch für den bisherigen Bundestag mit seinen 733 Abgeordneten. Denn der neue Bundestag war zu diesem Zeitpunkt zwar längst gewählt, aber eben noch nicht konstituiert.

Beschlossen wurde auch ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastrukturausgaben. Darüber hinaus soll die bislang strenge Schuldenregel für die Bundesländer gelockert werden. Für die Änderungen stimmten 512 Abgeordnete, 206 votierten dagegen. Es gab keine Enthaltungen. 

Der SoVD begrüßt es, dass das Sondervermögen auch für die Verbesserung der sozialen Infrastruktur, so für Kitas, Schulen und Krankenhäuser, eingesetzt werden soll. Aus Sicht des Verbandes ist es entscheidend, große Investitionen in die entsprechenden Infrastrukturen nicht aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Denn dann stünden sie in direkter „Konkurrenz“ zu Ausgaben für die Rente und für die Pflege.

Er beklagt hingegen, dass mögliche Mehreinnahmen – etwa über eine Reform der Erbschaftsteuer, die Wiedereinführung der Vermögensteuer und höhere Steuern für Superreiche – weder Bestandteil der Sondierungsgespräche noch der Koalitionsverhandlungen waren. 

Zur Finanzierung sozialer Investitionen ist aus SoVD-Sicht eine gerechte Steuerpolitik, die Vermögende und Besserverdienende stärker einbezieht, nicht nur unbedingt notwendig, sondern auch längst überfällig. 

SoVD legte „Sozialkompass“ zu Verhandlungsbeginn vor

Um die inhaltliche Berücksichtigung seiner Kernforderungen hatte der SoVD bereits zu Beginn der Sondierungsgespräche geworben. Pünktlich zum Start der Koalitionsverhandlungen legte der Verband dann einen „Sozialkompass“ vor. Dieser enthält vor allem die Mahnung, die drängenden gesellschaftlichen Probleme im Blick zu behalten. „Die soziale Sicherheit der Menschen darf in den Koalitionsverhandlungen nicht untergehen“, fordert die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. „Wer die soziale Gerechtigkeit stärkt, entzieht auch radikalen Kräften den Nährboden!“ Immerhin sei soziale Sicherheit für viele Bürger*innen eines der zentralen Kriterien für ihre Wahlentscheidung gewesen, betont Engelmeier weiter. Deshalb sollten Themen wie Barrierefreiheit und bezahlbares Wohnen stärker in den Fokus rücken. 

Auch die Situation von Menschen mit Behinderungen habe endlich ausreichend Beachtung zu finden. „Eine wirklich inklusive Gesellschaft gelingt nur mit echter Barrierefreiheit. Das Behindertengleichstellungsgesetz muss so reformiert werden, dass auch die Privatwirtschaft ihrer Verantwortung nachkommen muss.“ Engelmeier erneuerte gleichzeitig die SoVD-Forderung, so bald wie möglich einen Sozialgipfel unter Beteiligung der Fachleute aus den Verbänden durchzuführen. 

Unter dem Titel „Soziale Sicherheit stärkt die Demokratie“ wandte sich der SoVD in entsprechenden Schreiben überdies schriftlich an die Fachpolitiker*innen der jeweiligen Arbeitsgruppen. Zum Thema Gleichstellung hieß es darin unter anderem: „Nur 203 von 640 Abgeordneten im neu gewählten Bundestag sind Frauen. Politik wird dadurch vorwiegend von Männern gestaltet. Das ist ein Demokratiedefizit. Bitte setzen Sie sich für ein Paritätsgesetz ein (...)!“

Auch künftig gibt es eine Menge an Streitpotenzial

Dass es auch nach Ende der Koalitionsverhandlungen Streitpotenzial geben wird, scheint außer Frage. Denn insbesondere im Sozialen denkt die Union weiterhin ans Streichen. Hier dürften also die Vorstellungen von Union und SPD wie gehabt auseinanderklaffen; so auch beim Thema Steuern: Während die Union auf eine Senkung der Körperschaftssteuer für Unternehmen pocht, schlägt die SPD einen Einstieg in eine Unternehmenssteuerreform frühestens ab 2029 vor. Nicht entschieden ist darüber hinaus laut Medienberichten die Frage, ob das vom künftigen Kanzler gewünschte Digitalministerium Realität wird. Da die Zahl der Ressorts bei 15 bleiben soll, müsste hierfür ein anderes Ministerium weichen. 

Kurz vor knapp gab man letztlich der Gründlichkeit den Vorrang vor der Schnelligkeit. Nun nehmen sich die Parteien Zeit bis zum 30. März. Die Kanzlerwahl könnte – Stand bei Redaktionsschluss – am 30. April stattfinden.

Das Vertrauen der Menschen wieder stärken

Der SoVD wird den Prozess kritisch begleiten. Zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Bundestages gratulierte die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier den neuen und wiedergewählten Abgeordneten der demokratischen Parteien. Sie richtete zugleich einen Appell an das Parlament: „Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Spaltung ist im Sozialen nicht zu sparen!“ Vor dem Hintergrund der politischen Polarisierung und erstarkender Ränder sei eine Politik gefragt, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt und allen Menschen Sicherheit gibt. 

Diese Haltung müsse sich auch in konkreten Vorhaben niederschlagen. „Dazu gehören die Stabilisierung und Anhebung des Rentenniveaus, eine effektive Armutsbekämpfung sowie eine zukunftsfeste und solidarische Gestaltung der Pflege- und Gesundheitsversorgung“, so Engelmeier. „Wir rufen den neuen Bundestag dazu auf, das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates zu stärken!“